Schutz – Erholung – Erziehung

Naturgarten und NetzWerken Franz Nahrada

Was ist ein Netzwerk? Kürzeste Erklärung: „Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer“.
So einfach kann es doch nicht sein? Doch es kann so einfach sein, weil Netzwerke sich zusammenfügen.

Folgender Beitrag „Netz und Werke“ von FRANZ NAHRADA wurde in der Zeitschrift „multi-kosmos„, Die Welt der Effektiven Mikroorganismen 00007 März 2011 veröffentlich und ich Danke dem Autor, dass ich „Netz und Werke“ nun auch bei Netzwerk Naturgarten vorstellen darf.

KURZFASSUNG: Von pflanzlichen Netzwerken über Geheimbünde bis hin zum World Wide Web. Netzwerke gab es immer schon und wird es vermutlich auch immer geben. Welchen Nutzen wir als Individuen, aber auch als Gesellschaft davon haben, miteinander statt gegeneinander zu arbeiten, das beschreibt Gastautor und DorfWiki-Gründer Franz Nahrada.

Franz-Nahrada-Parkhotel-Pörtschach-am-Wörthersee2010Franz Nahrada,
ist Soziologe, Hotelier und Aktivist für eine kooperative Zivilgesellschaft. Bereits in den 80er Jahren war er fasziniert von den Möglichkeiten des computergestützten Kooperierens und der multimedialen Wissensorganisation. Er hat eine Unzahl von Projekten mitinitiiert, von der erfolgreichen „Global Village“-Veranstaltung im Wiener Rathaus bis hin zur Online-Community „Transition Austria“.
Durch ein experimentierendes Forschernetzwerk und partizipatives Gestalten aller Beteiligten möchte er in die Neuerfindung des Dorfs im 21. Jahrhundert vorantreiben, um dem scheinbar unaufhaltsamen Siegeszug der Metropolen und der Landflucht eine Alternative entgegen zustellen.
Adresse: www.dorfwiki.org

NetzwerkenDas Netzwerken ist also keineswegs eine menschliche Erfindung, wiewohl es den Menschen wohl wie keinem anderen Lebewesen gelungen ist, das Netzwerken zu perfektionieren.
Das Netz ist gegenwärtig in aller Munde, und es hat schon mehrmals seine Kraft, aber auch seine Ohnmacht gezeigt.

NETZ und WERKE
Familie, Clan, Gruppe, Organisation, Staat – die Gesellschaft besteht scheinbar und vordergründig aus festgefügten Institutionen. Dahinter verbirgt sich meist ein feines Netz an persönlichen Verbindungen, das entweder den Nährboden für die Lebendigkeit des Ganzen und seiner Teile abgibt, oder aber ein lähmendes Geflecht, das vieles behindert. Spannend ist: Was die Kultur hier vervollkommnet, wurzelt in der Natur. Und hier wie da gibt es effektive und weniger effektive Muster und Spielarten.

Eigentlich soll es in diesem Artikel ja um menschliche Netzwerke gehen. Aber wie bei vielen Mustern der Menschheitsgeschichte entdecken wir, was die Natur schon alles vor uns erfunden und perfektioniert hat. Zum Beispiel die symbiotische Beziehung der Pflanzenwurzeln mit Pilzen, den sogenannten „Mykorrhiza“, deren mikroskopisch feine Fäden schon die Wurzeln des Keimlings wir eine feine Wolke umhüllen kann sowie durch Wuchs- und Heilstoffe besser vor Schädlingen geschützte ist.

Im Austausch „gibt“ die Pflanze organischen Kohlenstoff in der Form von Kohlenhydraten, der für die Pilze lebenswichtig ist. Unser Steinpilz zum Beispiel, den wir für ein isoliertes Gewächs halten, ist nur eine „Frucht“ eines solchen gigantischen Pilznetzwerks, das den Waldboden über Kilometer durchzieht.

Dabei verbinden die Pilze nicht nur verschiedene Pflanzen miteinander, sondern auch verschiedene Pflanzenarten – es entsteht ein „waldweites Web“ im Boden, durch das nachgewiesenermaßen Pflanzen einander indirekt miternähren.

In einem Artikel im „Journal of Ecology“ 2009 sprachen die Autoren bildlich von „Sozialismus in der Pflanzenwelt“, in der Wissenschaft spricht man vom „Nurce Tree“- Effekt, den alte und junge Bäume ausüben können. Es gibt Tausende Pilzarten und 80% aller Pflanzenarten sind zur Symbiose fähig.

Diese Symbiose schließt auch eine Art „Sprache“ mit ein – Botenstoffe, durch die die Pflanzen Signale abgeben. Zwischen Pflanzen und Pilzen, aber damit auch zwischen Pflanzen untereinander gibt es eine effektive Kommunikation.

Netzwerke sind ein uraltes Phänomen; vielleicht sind sie – neben den Familien und Clans – sogar die älteste soziale Organisationsform überhaupt. Wovon reden wir also, wenn wir von Netzwerken reden? Wir reden von so etwas wie sekundären gesellschaftlichen Organisationsformen, die über das Territoriale, Enge, Rigide, Dauernde von Familien, Clans und Dorfgemeinschaften hinausreichen, soziale Beziehungsmuster, die durch spezielle Aktivitäten aufgebaut, gepflegt und erhalten werden müssen, die etwas Flexibles und Informelles an sich haben, die zumeist symbiotische Austauschbeziehungen sind – aber auch fast immer einen Aspekt von Ermächtigung und Selbstbehauptung in sich tragen.

Netzwerke transportieren Informationen, Energie und Materie und sind lebenswichtige Komponenten dauerhaften sozialer Systeme. Manchmal verbinden sie Gleichartiges, manchmal extrem Verschiedenartiges. Wir wissen heute aus der ethnologischen und sozialanthropologischen Forschung, dass kaum eine der menschlichen Subsistenzgemeinschaften in Isolation existierte, dass die Welt keineswegs an den Stammesgrenzen endete, sondern dass auch die selbstbezüglichsten Lebensformen in eine weitläufiges Netz von bestandssichernden Austausch- und Schutzbeziehungen eingebunden waren.

Von den Anasazi-Indianern etwas wissen wir, dass ihre Netzwerke bis Mexiko und Kalifornien reichten und dass ihre Pueblos dörfliche Knoten einer durchaus mobilen Kultur waren.

Netzwerke sind also ursprünglich ein Medium des Austausches, nicht des Tausches: Während beim Tausch die soziale Beziehung quasi liquidiert wird, die Schuld restlos abgegolten durch das Äquivalent, soll im Netzwerk die soziale Beziehung – als Trägermedium des Austausches – gerade erhalten bleiben.

Das Netzwerk garantiert die Wiederholbarkeit und Stabilität der Beziehung, und es funktioniert eigentlich nur über den wechselseitigen Vorteil. Es verbindet Gruppen zumeist über persönliche Beziehungen, auch hier spielen die „Wurzelspitzen“, die Botschafter, Reisenden und Entdecker, eine entscheidende Rolle. Diese Netzwerke wurden im Lauf der Geschichte überlagert durch herrschaftsförmige Beziehungen, in denen große Kollektive systematisch die Fähigkeit erlangten, gegen andere Gewalt auszuüben: Sklavenhalter – und Feudalgesellschaften, wobei die Letzteren eben auch einen geradezu konstitutiven Netzwerktypus hervorbrachten.

Die feudale Herrschaft gründet nicht mehr in der Unterjochung einer Völkerschaft durch die andere, sondern in einem Netzwerk aus Loyalitäten und symbolischen Beziehungen, das bei Bedarf zur gewaltsamen Aufrechterhaltung der Abgabepflichten mobilisiert wird.

Selbst die so unpersönliche kapitalistische Gesellschaft mit ihrem überlegenen wachstumsdurstigen Reichtum – und der ihm immanenten beständigen positionellen Knappheit – funktioniert weitgehend mittels Netzwerk: Ob es sich um einflussreiche und gut dotierte Posten im Staat oder um lukrative Geschäfte handelt, es gibt immer etwas auszuhandeln.

Selbst Sozialreformer werden in diesen Strudel hineingezogen und sind am Ende selbst Bestandteil des Systems, verändern sich bis zur Unkenntlichkeit – wie der genossenschaftliche Sektor es vorexerziert hat. Männerbünde, Seilschaften, Elite, Clubs, das sind die Orte, wo sich Macht ballt, formiert und reproduziert.

Mit dem beständigen Bedarf an diesem „Vitamin B“ scheint sich niemand entziehen zu können. Motto: Nur wer selbst keine Beziehung hat, fürchtet sich vor Netzwerken. Und in jeder Beziehung muss man etwas zu bieten haben, um etwas zu bekommen – egal ob Loyalität, Daten, Geld, Patente, Informationen oder schlicht Beziehung und eine Empfehlung an der richtigen Stelle.

 Wo Tauben sind, da fliegen Tauben zu, sagt das Sprichwort. Der Wert der gehandelten positionellen Güter hat direkt mit ihrer Knappheit zu tun. So dunkel und obskur mache dieser Netzwerktypen erscheinen, so wenig hat die Wissenschaft selbst sich dieser Konstitution sozialer Beziehungen von unten zugewandt: eher standen die große historische Persönlichkeit oder die wundersamen Gesetze des Sozialen und der Märkte im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Das hat sich erst relativ spät geändert, als im Ausgang der industriellen Gesellschaft eine Revolution der Kommunikationsmittel die Menschheit erfasste, die heutzutage eben den Namen „das Netz“ trägt.

Wie der Mykorrhiza-Pilz ist es um uns gewachsen und gibt uns die Möglichkeit, mit geringen Kosten und geringen Aufwand Verbindungen aufzunehmen mit einer stets wachsenden Anzahl von Menschen, die sich seiner bedienen. Das jüngste und spektakulärste Beispiel sind die Enthüllungen von Wikileaks. Sie erschüttern die Netzwerke der Eliten mit ihrem Insiderwissen, diesem symbolischen Kapital anschließender Vernetzung.

Doch die neuen Netzwerke balgen sich gar nicht um dieses Kapital. In der Verbindung, die möglich geworden ist durch das Netz, entsteht ein anderer Reichtum, eine andere art zu produzieren. Dieser Reichtum entsteht nicht durch Abschottung, sondern durch Öffnung, durch die Möglichkeit aller zur Teilhabe und zur Mitarbeit.

Ganz augenfällig geworden ist das durch das Beispiel der Wikipedia, die in nur wenigen Jahren das geschafft hat, wozu die Enzyclopaedia Britannica mehr als 200 Jahre genötigte: zur meistzitierten und umfangreichsten Wissensansammlung der Welt zu werden.

Das Netz, und dies ist grundlegend neu, ist zugleich an jedem Ort der Produktion und des Nachdenkens präsent und gibt die Chance, Vorhaben unbeschränkter Kooperation mit großem allgemeinen Nutzen ins Werk zu setzen.  Während so der Ort des Denkens und Entwerfens allgegenwärtig ist, haben einige weitere Innovationen, die zeitgleich aufgetreten sind, das Potenzial, seine Wirkung unendlich zu vergrößern:
– die Digitalisierung, die uns die Möglichkeit gibt, mit allen Sinnen nicht nur Wissen und Information, sondern auch Anschauung und Gestalt zu teilen.
– die Automatisierung, die uns die Möglichkeit gibt, aus den digitalen Befehlsketten materielle Objekte zu generieren, und die die Produktion in großem Umfang zu dezentralisieren vermag.
– die maschinelle Datenspeicherung, die uns die Möglichkeit gibt, eine unglaubliche Fülle dieser Modelle und Urbilder zu speichern und zu modifizieren und große Repositorien aufzubauen, die wir kopieren und miteinander teilen können.

Das Netz revolutioniert das Verhältnis von global zu lokal: Es ist potenziell überall zugleich, vermag synchron an vielen Orten zu wirken. Doch um eine wirkliche Verbindung zu schaffen, die positiven Möglichkeiten des Netzes zu realisieren, bedarf es wiederum menschlicher Netzwerke.

Das Angebot an möglichen Beziehungen hat sich tausend- bis millionenfach multipliziert: Wir müssen die sinnvollen Beziehungen aus dieser Überfülle herausfiltern. Wir müssen unsere globalen Nachbarn auf der Basis von Werten suchen, die wir im Innersten teilen.

Die tausend Facebook-Freunde sind dafür vielleicht nur ein Durchgangsstadium. Sie erziehen uns zur Konzentration, zum Fokussieren auf das Wesentliche – bei Strafe zur Auflösung aller sozialen Beziehungen in Beliebigkeit. WIR WISSEN PLÖTZLICH, DASS ES IN DIESER WELT KEINEN MITTELPUNKT UND KEIN ZENTRUM GIBT.

Wir wissen, dass wir irgendwie mit allen verbunden sind, aber das nur sein können, wenn wir radikal bei uns selbst und authentisch bleiben. Dann ziehen wir auch diejenigen an, mit denen wir ganz bewusst einen winzigen Teil am Gemeinschaftswerk der Menschheit realisieren, und vielleicht suchen wir uns mit ihnen auch einen Ort, an dem das Netzwerk, unser Netzwerk, unser Wert, unser Beitrag physische Gestalt annimmt: lokal und global zugleich.

Franz Nahrada

3 Kommentare zu “Naturgarten und NetzWerken Franz Nahrada”

  1. […] bin Franz Nahrada sehr Dankbar für seine Erlaubnis “Netz und Werke” vorstellen zu […]

  2. […] ist eigentlich der Grund einer Vernetzung? Gegenseitige Schutzstellung, Monopol, Lizenzen oder “open sourece”? Ein Miteinander, […]

  3. […] mehr Naturgarten – Netzwerke […]

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