Schutz – Erholung – Erziehung

Innere Umwelt, von Christian Felber

VERSUCH EINER ÖKOLOGISCHEN SPIRITUALITÄT

Wenn das Great Chief Seattle gesehen hätte: Die Autobahnen wachsen nach Osteuropa, in China spießen die Fabriken, Hochspannungsleitungen durchziehen den Regenwald, die industrielle Landschaftsverformung globalisiert sich (rechtzeitig, bevor das Öl ausgeht). Die Materialflüsse schwellen an und Städte wuchern ins Umland. Der ökologische Fußabdruck der Industriegesellschaft nimmt Elefantengröße an.

Christian Felber

Christian Felber
geb. 1972 in Salzburg, studierte Politikwissenschaft, Psychologie, Soziologie und Romanische Sprachen in Wien und Madrid. Heute lebt er als freier Publizist und zeitgenössischer Tänzer in Wien. Seine letzten 5 Bücher erreichten mehrere Auflagen und erklommen die Bestseller-Listen. Im Jahr 2000 gründete Felber mit anderen die österreichische Organisation des globalisierungskritischen Netzwerks „Attac„, das weltweit in 50 Ländern aktiv ist. Zur Förderung politischer Initiativen gründete er die „Bewegungsstiftung Österreich„. Seit Herbst unterrichtet er an der Wirtschaftsuni Wien.
Mehr Infos: www.christian-felber.at

Aktuelle Bücher:
Kooperation statt Konkurrenz – 10 Schritte aus der Krise (2009)
Neue Werte für die Wirtschaft – Eine Alternative zu Kommunismus und Kapitalismus (2008)
50 Vorschläge für eine gerechtere Welt – Gegen Konzernmacht und Kapitalismus (2006)
Im August 2010 erscheint bei Deuticke Die Gemeinwohl-Ökonomie

Doch Material allein macht nicht glücklich. Angstzustände, Allergien, Depressionen und Vereinsamungen wachsen parallel zum BIP – mitunter sogar Arbeitslosigkeit und Armut. gerade dann heißt es umso lauter: Wachsen, wachsen, wachsen! Noch schneller als bisher! Die Wachstumsbeschleunigung wird zum Gesetz, damit die Arbeitlosigkeit zurückgeht, damit Umweltschutz leistbar wird, damit die Euro gegenüber dem Dollar nicht ins Bodenlose fällt.

Umweltschutz beginnt im Herzen. Vorausgesetzt, Gott sitzt drinnen. Das haben wir sehr lange gehört, aber kaum verstanden. Denn Gott wohnt der Landmeinung zufolge im Himmel. Diese Auslagerung hat uns nicht nur unserer Göttlichkeit beraubt, sondern auch ein physisch-hierarchisches Autoritätsverständnis zementiert: „Er“, der Allmächtige, dort „oben“.

Wenn wir nun Gott nicht länger als kreative Person im Dachatelier begreifen, sondern als allen Erscheinungen immanentes Schöpfungsprinzip, dann beseutet dies, dass Gott in jedem und jeder von uns wohnt, in allen Wesen und Dingen – Gott ist überall/universal. Das geht als Prinzip oder Geist leichter denn als Person, weil als Person müsste ER sich ja vielteilen.

Diese Sicht ändert einiges: Zum Beispiel findet die Gottsuche nicht außen , sondern innen statt. Gott „von Angesicht zu Angesicht“ zu schauen, das bedeutet dann, sich selbst zu erkennen – genauso wie es die moderne Psychologie als verlässlichsten Weg zu Glück und Zufriedenheit empfiehlt. Carl Gustav Jung etwas meinte: „Der Sinn des Lebens ist, so zu werden, wie wir sind.“ Auch Ödön von Horvaths Bonmot „Eigentlich bin ich ganz wer anderer, nur komme ich nie dazu“, spielt in diesem Sinne auf eine unterlassene Gottsuche an.

„Gott zu finden“ bedeutet demnach, sein natürliches Potenzial als Mensch zu erkennen und zu entfalten und es nicht (wie so oft der Fall) durch unnötige Schranken zu behindern: Durch Verdrängungen in der emotionalen Entwicklung; durch Vernachlässigung in der leiblichen Entwicklung; durch ein Übergewicht des Intellekts in der geistigen Entwicklung. Zu letzterer gehört eine stille, aber wache Verbindung zu allen Mitwesen, ein gewisses „Online-gehen“ in der einzig wirklichen immateriellen Kommunikation. Um diese Kommunikation soll es hier gehen.

Wenn wie derart „online“ gehen, nehmen wir intuitiv Kontakt mit dem Vogel, dem Fels oder der Eiche auf. Dann findet so etwas wie eine gegenseitige Bestärkung statt (man kann es auch „Liebe“ nennen), die aus der gegenseitigen Wahrnehmung, der gegenseitigen Achtuung und dem wechselseitigen Sich- Erfreuen am Anderen erwächst: Das Energie-Niveau aller Beteiligten steigt an. (Eine Eiche kann auch als Rohstoff für Küchenmöbel, als Heizressource oder gar als Weghindernis für die „freie Fahrt“ betrachtet werden.)

Geht man noch einen Schritt weiter, dann kann man das Ansteigen des Energie-Levels als „Ernährung“ ansehen – zumindest in dem Sinne, dass unser bedürfnis nach „Erleben“ und Ästhetik, aber auch nach sozialem Austausch in Form der beschriebenen Kommunikation gestillt wird. Und dann gesellt sich zur „Liebe“ die Dankbarkeit –  und zwangsläufig auch eine Art Tötungshemmung gegenüber dem Kommunikationspartner Eiche, Fels oder Vogel. Oder weiter gefasst gegenüber der Natur, dem Planeten Gaia, der Bio- und Ökospäre.

Das heißt nun nicht, dass wie nichts mehr produzieren, essen und verändern dürfen – aber das buddhistische Prinzip von der „geringst möglichen Spur“, die wir hinterlassen sollen, ist hier socher ein Wegweiser, der als „geringst mögliche Eingriffstiefe“ bereits in die Nachhaltigkeisdiskussion Eingang gefunden hat.
Zurrück zum Herzen:

Wenn Gott nicht im Himmel haust, sondern im eingenen Sonnengeflecht, dann erfährt auch der Begriff des Gehorsams eine Umkehrung: Gehorsam ist dann nicht, wer von außen kommende Gebote oder Verbote, die der jeweils zuständigen Gottheit zugeschrieben werden, befolgt (und in Gottes Nachfolge die Gebote der Eltern, Lehrer und restlichen Autoritäten), sondern die Anweisungen des eigenen Herzens. Was heißt das?

In uns drin ist es alles andere als stumm. Die innere Stimme ist überaus gesprächig, wenn wir ihr bloß unser Ohr leihen. Genau das ist in unserer außerorientierten Sozialisation nicht üblich. Wer sich selbst vertraut, weiß es aber: Die innere Stimme ist nicht nur bei konzentriertem Horchen deutlich vernehmbar, sondern auch sehr, sehr weise und hat auf jede Lebensfrage eine Antwort. Die reichste aller Informationsquellen befindet sich – auch im Zeitalter des Internts – als „lokale Ressource“ in uns selbst.

Vorausgesetzt wir verstehen es, aus ihr zu schöpfen, indem wir auf sie hören – also durch Gehorsam. Die innere Stimme kann auch in Bildern sprechen. Das macht die Kommunikation nicht nur (zeit)ressourceneffizienter, sondern auch anschaulicher. Und anstelle eines dritten Ohs braucht es dann ein drittes Auge: das göttliche (mit dem Gott sich selbst schaut).

„Du sollst dir kein Bild von Gott machen“ -dieses Gebot habe ich bisher nicht verstanden, jetzt aber macht der Satz plötzlich Sinn. Wir sollen uns kein  vom moralischen Verstand vorgefertiges Bild von uns selbst machen – das meistens ohnehin nur den Erwartungen derer entspricht, deren Aufmerksamkeit (oder bedingte Liebe) wir auf uns ziehen wollen –  sondern wir sollen darauf hören, was die innere Stimme (Gott) sagt!

Das Problem: Unsere innere Stimme sagt gar oft, was wie (oder die, die uns bedingt lieben) partout nicht hören wollen: die göttliche Wahrheit. Deshalb hört ihr kaum jemand zu. Und so verleiren wie unsere Göttlichkeit. „Mut“ beseutet in diesem Zusammenhang nicht, an dehnbaren Seilen von hohen Türmen zu springen, sondern nach den Eingaben unserer inneren Stimme zu handeln und auf diese Weise göttlich zu werden.

Ein aktuelles Beispiel: in den Fit- und Wellnsess-Centern verscuhen wir, ein externes Gottesbild (von uns selbst) zu erreichen: „Schönheit“ degeneriert zur messbarren Norm. Bewegungen werden nach genau vorgegebenen Mustern ausgeführt und nicht nach den spontanen Impulsen oder Bedürfnissen des Körpers. Die innere Stimme, welche stets Ideen für kreative und lustvolle Bewegung parat hat und gerade im improvisierten Tanz mit blinder Sicherheit Regie führt, hat im Fitness-Center und in Aerobic-Stunden nichts zu melden (abgesehen von der subjektiv angenehmsten Durchführung uniformer Bewegungen).
Das innere Potenzial bleibt ungenutzt. Gott bleibt unerhört.

Jetzt aber des Pudels Kern: Die innere Stimme, die an der oben  beschriebenen Kommunikation beteiligt ist, wird nie sagen: „Baue eine Autobahn! Errichte ein Kernkraftwerk! Bereinige die Fluren! Rode den Regenwald!“ Ganz im Gegenteil: Sie wird bei jeder Schneise, die in Mutters Haar geschlagen, bei jedem Schnitt in Mutters Haut und bei jeder Rauchgaswolke, die in Mutters Lungen gepumpt wird, schmerzvoll aufschreien, als wäre es der eigene Leib. In diesem Sinn wird Umweltzerstörung zur Selbstzerstörung und Umweltschutz zur Selbstverteidigung. Und deshalb sagt Joanna Macy auch: In Anbetracht der globalen Umweltzerstörung ist Weinen und Trauern völlig okay – wie haben allen Anlass dazu.“

Das Problem besteht folglich darin, dass wir Menschen seint zwei Jahrtausenden mit einem externen Gott leben und dadurch weitgehend verlernt haben, auf unser inner Stimme zu hören. Wie haben uns selbst nicht vertraut – daher der allgegenwärtige Mangel an „Selbstvertrauen“. Stattdessen haben wir auf äußere Stimmen gehört – oder diese (besonders verzickt) verinnerlicht. So haben wir den göttlichen Sinn unseres Lebens, den Gehorsam nach innen, verloren. Wir haben Gehorsam nach außen geleistet, einer pervertierten Autorität, die sich nicht durch Vorbild oder Göttlichkeit, sondern durch Macht und Gewalt legitimiert. Wir haben fremde Lebenszwecke übernommen (Karriere, Konsum, Geld, Macht) und leben im Grunde ziemlich an unserer Göttlichkeit vorbei.

Die Folgen/Symptome: hierarchische GEsellschaftsstrukturen, allgegenwärtiges Machtstreben, Wettbewerb um Markt-, Gesprächs- oder Sendeanteile- und Umweltzerstörungen in all ihren Facetten. Wenn ich meiner inneren stimme nicht zuhöre (aus Angst vor den Sanktionen der äußeren Autorität), dann verstummt die UmweltanwältIn in mir, und die Autobahnen können gebaut werden (Und sie werden immer noch gebaut). Der „Vorteil“ der Umweltzerstörung liegt darin, dass man damit Geld verdienen oder neue Technologien durchsetzen kann. Beides bringt macht, und darum geht´s leider.

Macht suchen aber nur jene, die nicht online sind. Denn wer in großen Konzert mitschwingt, erlebt „gemeinsame Macht“ und ist dadurch so erfüllt und ernergiegeladen, dass die Möglichkeit, Macht über oder gegen andere auszuüben, völlig unattraktiv erscheint. Wer macht über andere ausübt, ist in der Tiefe das Herzens nie glücklich, fühlt sich höchstens auf einer psychologisch defensiven Ebene „sicher“.

Das ist nicht so leicht zu erkennen, solange die prägende Kultur „Macht über andere“ idealisiert und das Lauschen der inneren Stimme behindert. Ist die innere Stimme zu leise, werden die äußeren Stimmen umso lauter – und die brüllen zum Beispiel „Autofahren macht mobil, bringt Freiheit und Sex!“… Und schon haben wir die Autodichte von heute und keinen Platz mehr für Kinder.

Doch, ach wie komisch: In der Stunde der Wahrheit – beim Therapeuten, oder in der Einkaufsstraße am 23. Dezember, und manchmal auch beim stillen Sonnenuntergang am Sandstrand oder Berggipfel – da fühlen plötzlich die Allermeisten, dass diese Zivilisation in tiefster Seele krank ist… Wer diese Kapitalmissachtung unserer Göttlichkeit spürt und erfährt, entwickelt Achtung: für sich selbst, als Teil des Ganzen, und für alle anderen Erscheinungen im Universum.

Egal, ob Stein, Eiche, Adler oder REgenbogen – in der Erkenntnis ihrer Göttlichkeit und im Erleben ihrer heilenden Wirkung auf mich werden sie mir heilig. Den Leib eines Baumes oder den Leib von Mutter Erde empfinde ich gleich dem eigenen Leib als „integre“ (unverletzliche, nicht aber unverwundbare) Kreatur und gleichzeitig als Lustquelle und energetische Nahrungsquelle, die ich in der ihr eigenen Schönheit wahrnehme, achte und schonend behandle.

Der neue Reichtum sättigt und erfüllt mich so tief, das mein Verlangen nach Ablenkung, Fremtunterhaltung und Zerstreuung schwindet – ich sitze ja dierekt an der Quelle. Nach jeder „Online-Reise“ erkenne ich mit zunehmender Klarheit: Der Aufwand der Konsumgesellschaft dient dazu, die Menschen von den Deformationen durch die Industriegesellschaft abzulenken, zu trösten gewissermaßen, auch wenn dadurch alles noch schlimmer wird – durch den Flug auf die Malediven –  durch den Kaufrausch im Konsumtempel – durch die Zerstreuung in der Welt elektronischer Virtualität. Wird die Freizeit zur Industrie, dann schließt sich wieder einmal der Kreis, und das fossile Feuer wird mit Öl gelöscht.

Wer hingegen über die eigene Göttlichkeit mit dem Universum in reger Verbindung steht, bekommt mit ziemlicher Sicherheit Lust auf einen ganz anderen Lebensstil: Naturbelassene Nahrungsmittel und Gewürze statt künstlicher Aromen aus Konserven. Maßgeschneiderte, langlebige Gebrauchsgegenstände aus liebevoller handwerklicher Fertigung anstelle industrieller Massenware. Wohnräume aus Stein, Erde oder Holz, die mit der Sonne kooperieren und weder ausstrahlen noch ausdampfen (dafür Stille konzentrieren und vitalisieren). Mobilitätserfahrung am eingenen Körper, im Tanz, im Zu-Fuß-Gehen, im Langsam-Reisen anstatt im „Sport“-Wagen – das Auto wird als unspirituellstes aller Artefakte, als simple Quelle von Lärm, Gestank und räumlicher wie physischer Gewalt stehen gelassen.

Körperliche Immobilität am Arbeitsplatz wird nicht länger durch die Bestätigung des Gaspedals kompensiert. Acht Tagesstunden von dem Bildschirm werden als Sünde gegen die eigenen Göttlichkeit empfunden. Hingegen erfährt manuelles Tätigsein eine Aufwertung. Im alten China war es lange Zeit unvorstellbar, dass eine Maschine die arbeit erleichtere, weil körperliche Arbeit als eine heilige (=heilende) Angelegenheit betrachtet wurde. Bei der Arbeit in und mit der Natur findet der Mensch Erfüllung: Gott kommt zu sich selbst.

Die Konsequenzen wären revolutionär: Wenn sich die Menschen allmählich immer weniger für Bürojobs, Fabrikarbeit und Teleworking interessieren und zunehmend für die physische Betätigung in der äußeren Natur, dann ist das ein Riesensprung zu einer nachhaltigen Lebensform. Keine Angst: Es geht nicht darum, zum Lebensstandard des Mittelaltes (mit Rheuma und Kreuzbeschwerden) zurück zu kehren, sondern zu einem vorindustriellen Ressourcenverbrauchsniveau – bei höchster Lebensqualität.

Dieser Schritt nach vorne würde im Unterschied zu früheren Kulturen auf einer bewussten Entscheidung basieren, die wiederum auf einer göttlichen Empfindung beruht: Glückserfahrungen und Erfüllung in der manuellen Tätigkeit – im Zimmern von Möbeln, im Weben  von Kleidern, in der Gestaltung des Wohn- und Lebensraums, im Anbau von Gemüse und Kräutern. Das ist kein Plädoyer für lückenlose Selbstversorgung oder maschinenloses Schuften, sondern für die Renaturierung von Arbeit und die Renaissance des Handwerks auf ökologischem Hi-Tech-Niveau. Genauer: Da sowohl der eigene Körper als auch Mutters Leib heilig sind, bedarf es Arbeitsmethoden und einer Arbeitsorganisation, welche weder die Gesundheit der Menschen noch die der Bioshäre beeinträchtigen.

Die Bewältigung dieser doppelten Herausforderung könnte so aussehen: Arbeitsteilung fände nach wie vor statt, nur weitgehend auf lokaler, nicht auf globaler Ebene. Auf globaler Ebene wird vor allem gedacht, sprich kommuniziert. Gereist wird auch im Zeitalter der Ökospiritualität, bloß im Schneckentempo, und an die Stellen des Hotelsurlaubs tritt die nachhaltige (hier passt es wirklich) interkulturelle Begegnung mit Sprachelernen, mehrmonatigem Aufenthalt und Tiefeintauchen in die jeweils fremde Kultur.

Wer´s nicht glauben will, dass ein baumergreifter Apfel besser nährt als die eingeflogene Kiwi, dass es sich auf einer Küchenanrichte aus Massivholz sinnlicher kocht als auf Plastik, dass im Tanzen und Spilen höhergradige Mobilitätserfahrungen schlummern als im „Automobil“ oder dass ein Garten der bessere Arbeitsplatz ist als das (künstlich beleuchtete und belüftete) Büro, der/die probiere es aus. Zwar braucht der Entzug von der Industriegesellschaft wie jeder Entzug seine Zeit, kennt seine Rückfälle – aber sobald wir Gott einmal auf der Spur sind, kommt er umso gewisser.

Nur ein Weg führt nicht zu Gott: Gehorsam nach außen. Wer einen nachhaltigen Lebensstil in Rücksicht auf die gesellschaftliche Moral wählt – das heißt, wer ein äußerliches Gebot befolgt, um von anderen geschätzt zu werden – der wird scheitern. Denn nur die innere Stimme zählt. Und so verwechselbat sie anfangs mit einer verinnerlichten äußeren Stimme ist – bei aufmerksamem Hinhorchen wird uns die Unterscheidung bald nicht schwerer fallen, als die zwischen einer Fichte und einer Tanne.

An den Kindern können wir uns ein Beispiel nehmen, was den Gehorsam nach innen betrifft. Zwar sind auch sie schon hochgradig entgöttlicht – aber meistens immer noch erklecklich göttlicher als die Erwachsenen, und sei es nur darin, dass sie ihren Impulsen sorglos nachgeben: in der Bewegung, in der Stimme, im Universum der Gedanken und Bilder. Befragt man Kinder nach ihrem idealen Lebensraum, dann zeichnen sie keine Shopping-Cities und keine Multiplexxs, keine Stadtautobahnen und auch keine Monokulturen. Sie zeichnen (egal ob Stadt- oder Landkind) Gärten mit Charakter-Blumen und Charakter-Tieren, Himmel und Gestirne sind stets prominent im Bild. Nur Autos fehlen.

Das soll nicht heißen, dass wir die Welt nach einer Kinderzeichnung gestalten sollen, sondern schlicht, dass sich Gott nicht nach einem anorganischen Überzug für das Erdenrund sehnt. So schön es ist, dass die Erwachsenen von den Kindern lernen, noch erfreulicher wäre es, wenn die Erwachsenen sich in einem Entwicklungsstadium befänden, das es ihnen erlaubt, den Kindern Vorbild zu sein. Gemeint ist ein Schulsystem, das die Kinder darin bestärkt, auf die innere Stimme zu hören und online zu gehen. Dann wären die meisten Menschen mit 20 emotional so intelligent, sozial so kompetent und umweltpolitisch so korrekt, wie es in den visionärsten Büchern nicht steht.

Und wie hätten tatsächlich Landschaften ohne Autobahnen, ohne Hochspannungsleitungen und ohne Reihenhäuser. Und ohne Handymastenwald – denn wenn wir alle online sind, brauchen wir unsere stille Kommun(kati)on nicht permanet mit lautten Worten, die wir in die Handgurken husten, zu stören.

Wein/Maria Enzersdorf 2000.
leichte Nachbearbeitung 2010.

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